Ein falsches Testament

HINWEIS 4

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HINWEIS 4: Ein falsches Testament

Eine neue Wendung bei der Spurensuche: wir haben entdeckt, dass der Sarkophag aus dem Vorraum der Abteikirche nicht die einzige Grabstätte ist, die Königin Bertha zugeschrieben wird. Das verrät zumindest ein Text aus dem Jahr 1519, verfasst von einem Domherrn aus Solothurn. Als dieser das Kloster von Payerne besucht, sieht er ein Grabmal, das durch eine Inschrift als das der Königin gekennzeichnet ist. Er hält den Text der Grabinschrift (Epitaph) fest und erklärt, dass sich die Grabstätte links im Chor der Abteikirche befindet.

Aber welches ist nun das echte Grab? Das im Kirchenvorraum oder das im Chor?

Die sehr genaue Beschreibung durch den Autor des Textes, den Probst der St. Ursen-Kathedrale von Solothurn, Bartholomäus von Spiegelberg, garantiert uns, dass er die Wahrheit sagt und dieses Grab wirklich gesehen hat. Allerdings wurde der jetzige Chor der Abteikirche um 1100 errichtet und existierte somit noch nicht, als Bertha um das Jahr 961 starb: es kann sich also nicht um das ursprüngliche Grab handeln.

Auf den ersten Blick ist heute im Chor der Abteikirche keine Inschrift oder andere Spur davon erhalten, was der Probst 1519 gesehen hat. Also, wo genau konnte sich nun dieses zweite Grab befinden? Zwei Stellen scheinen möglich, beide im linken Teil des Chorraums: ein sehr seltsames Gewölbe und eine Nische in der Mauer.

Um 1817-1818 beschreibt Rodolphe de Dompierre – ihm sind wir schon begegnet – ein Steingewölbe, zu dem man einige Stufen hinuntergehen muss. Die Verwendung von Molasseblöcken für dessen Bau weist darauf hin, dass es nicht vor dem 13.-14. Jahrhundert entstand, aber es könnte auch neueren Datums sein. Derartige Anlagen sind sehr ungewöhnlich zur Zeit des Mittelalters. Die wenigen bekannten Beispiele befinden sich in Kirchenbauten und werden als Familiengrüfte betrachtet. Jedoch kann man mangels einer Inschrift heute nicht mehr mit Gewissheit einen Zusammenhang zwischen dieser Anlage und dem 1519 gesehenen Monument feststellen.

Links im Chor findet sich auch eine in die Mauer eingelassene Arkade, die heute noch sichtbar ist. Sie überspannt eine niedrige Mauer, deren Form an ein Grabmal denken lässt: es könnte sich um ein Wandnischengrab handeln, eine in die Mauerstärke eingebettete Grabstätte. Die Malereien in der Nische stammen aus dem 14. Jahrhundert, aber das Entstehungsdatum der gesamten Gestaltung ist nicht bekannt: es ist nicht ausgeschlossen, dass sie zeitgleich mit dem Chor angelegt wurde.

Wo auch immer sich das Grabmal genau befand, man könnte sich vorstellen, dass das Grab der Königin Bertha irgendwann zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert – Erbauungszeit der Kirche – und dem Jahr 1519 – Zeitpunkt des Besuchs von Bartholomäus von Spiegelberg – von seinem ursprünglichen Platz an eine dieser beiden Stellen versetzt wurde, um es besser hervorzuheben. Dazu wäre dann ein Grabmonument errichtet worden mit einer Inschrift zu Ehren ihres Andenkens.

Aber warum hätte man Bertha zu dieser Zeit Ehre erwiesen, mindestens 150 Jahre nach ihrem Tod? In den Archiven von Lausanne und Freiburg findet sich jeweils ein Testament der berühmten Königin. Bedauerlicherweise sind diese Schriftstücke rückdatiert, es handelt sich in Wahrheit um Fälschungen, die im 12. Jahrhundert von den Mönchen erstellt wurden. Die Angelegenheit wird kompliziert: warum diese Fälschungen und welcher Nutzen lässt sich daraus ziehen? Besteht ein Zusammenhang mit dem Grabmal?

 

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© Rémy Gindroz